chlab.net on tour - Mittweida - Technikum, Natur und urige Menschen
Kind war ich als ich das erste mal von Mittweida hörte, meine Mutter erwähnte es immer wieder.
Hatte sie wohl einige Jahre in der Nähe verbracht. Der nächste Mensch, welcher mich mit Mittweida
in Verbindung brachte, war mein Vater. Sein Lieblingsschriftsteller kam von da. Es war die kalte
Zeit und niemand merkte, wie weit man voneinander weg war.
Mittweida stand für Nichts. Ein Kalkül der Herrschenden. Unbeachtet, nicht mal Kreisstadt, vergessen.
Wo war der Stolz einer Technikiumstadt, was hatte Mittweida doch für große Leute hervorgebracht.
Eines quellte immer aus ihr, Menschen, die anfassen, träumen und erfolgreich sind.
Halt Mittwädscher.
Mit denen bekam auch der in Sachsen allgegenwärtige Karl May zu tun, er saß paar Tage im Knast
zu Mittweida.
Geschichtsbände gibt es sicher genug, aber wen der sogenannten großen Leute sollte ich hier
erwähnen. Bleibt mir eigentlich nur einer, vielleicht Schicksal, Vater hatte es ja prophezeit -
Kenner dieser Stadt und kein besserer Gefühlsgenosse - Erich Loest.
Am Kirchberg wuchs er auf, ging von dort in den unsäglichen Krieg und wurde da später von den
Stalinisten verhaftet, wie sein Landsmann Karl May ging er für Jahre ins Gefängnis. Was sagt er
uns, Ehrenbürger und kaum gekannt (wann werden endlich Mittweidaer Schulen seine Romane im
Unterricht behandeln..) über seine Heimatstadt: "Dabei hat Mittweida noch Glück gehabt... Bier
und Spiele".
Es ist eine schöne Ecke in Sachsen, dieses MW-Land, es gibt Kopfsteinpflaster gemischt mit viel zu
schnellen Straßen, anonymen Kauftempeln. Und es gibt Wald, Natur und Wasser - wunderschön. Kaum zu
glauben, dass Einheimische dies je so wie ein Fremder gesehen haben.
Negatives, wenig. Vielleicht die Bahnanbindung und der umständliche Weg in die Weltboomstadt
Leipzig. Dorthin konnte man früher in zwei Stunden direkt per Bus gelangen, damals. Dafür ist man
heute endlich Kreisstadt und darf die stadteigenen Initialen im KfZ-Kennzeichen tragen.
Die Zschopau bestimmt vieles, Brücken wurden gebaut, brachen zusammen, immer wieder bestimmten
sie den Tagesablauf der Mittweidaer. Hauptsache man kam zur Arbeit, was ja ewig die
Textilindustrie war. Man sieht Ruinen dieser Zeit. Schrecklich, wie eine solche Branche kaputt
gemacht wurde. Der Rest wurde an windige Steinbruchbetreiber vermacht.
Mittweida hat eine blühende Fachhochschule, supergute Informatiker kommen aus dem MW-Land.
Schade nur, dass die Leute nach der Ausbildung alle wieder weggehen. Könnte man nur ein paar
dieser Fachkräfte in der Stadt halten, es wäre ein Schub für die Region. Nur wie, wenn die
einheimische Jugend aus den verschiedensten Gründen wegrennt. Der neue Oberbürgermeister hat
eigentlich nur eine Hauptaufgabe - diesen gordischen Knoten zu durchschlagen.
Die reizvolle Landschaft ringsum steht für ihren Namen - Perle des Zschopautales.
Und dies war eigentlich schon immer so. In den zwanziger Jahren wurde die Kriebsteintalsperre
gebaut, dadurch veränderte sich die Natur schlagartig. Neben Energie wurde auch ein einmaliges
Erholungs- und Naturparadies gewonnen. Schon unsere Vorfahren lobten die Sommerfrische an der
Talsperre, viele sozialistisch organisierte Betriebsfahrt ging dahin.
Und so hält man es heute noch, nur die Ausstattung und die vielen vielen Feste sind deftiger
geworden. Da wären auch noch die wunderbaren Ausflugsgaststätten erwähnt, da denke ich besonders
an das altehrwürdige Café Bürger, den Waldkauz in Ringethal, die Lochmühle bei Erlebach oder
der Seeblick in Falkenhain, überall gibt es zu gutbürgerlichen Essen ein frisches Löwenbräu
aus der Heimat.
Eine besonders urige Szenerie hat sich in den letzten Jahren in den Mittweidaer Hainhäusern
entwickelt. Dort trifft man jung und alt, da ist Mittweida noch Mittweida, arbeiten, organisieren,
quatschen, feiern, halt typisch.
Jedesmal, wenn ich von dieser Stadt wieder fort muß, überkommt mich etwas Wehmut, traf ich
doch neben einer wunderschönen Natur, einer ehrwürdigen Stadt noch Menschen, die Menschen
geblieben, hart in ihrem unvergleichlichem Humor und dabei so herzlich.
Fahrt mal hin... .
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