Es sollte für Deutschland die ruhigste Fußball-WM aller Zeiten werden. Die unmöglichen Anstoßzeiten
zur Arbeitszeit, keine Stimmung in Fernost und unsere zusammengewürfelte Truppe fliegt sowieso
spätestens im Achtelfinale raus. Denkste, es wurde dank Rudi Völlers leitender Hand eine rauschende
Party. Wäre hätte dies vor vier Wochen noch gedacht.
Die Euphorie steigerte sich von Spiel zu Spiel der Deutschen, dieser Teamgeist steckte an und
natürlich der völlig unerwartete Erfolg. Man machte plötzlich krank oder Urlaub, in Firmen entstanden
provisorische Fernsehstuben - was natürlich das Klima in deutschen Betrieben förderte. Und der
Fußball erlebte sich als Gemeinschaftsevent. Weg vom heimischen Sessel, rein in die Kneipen und an
die Bildwände. Wer privat zusah war megaout.
Manche Städte erfuhren ihre größten und obendrein unorganisierten Straßenfeste. So auch
Wiesbaden, wo zum Finale 35000 gekommen waren, für diese Stadt sensationell. Und daß man trotz
der unverdienten Niederlage danach stundenlang mit den brasilianischen Fans Autokorso fuhr, war
einmalig. Natürlich genauso unvergessen der Empfang am Frankfurter Römer am nächsten Tag.
75000 Leute waren gekommen, so viel wie nie bei einem Empfang für deutsche Sportler, um ihre
Helden zu feiern. Und man sang bei dieser Party ohne Ende alle Gassenhauer, aber am
nachhaltigsten voller Innbrunst die deutsche Nationalhymne. Vor einigen Jahren noch undenkbar.
Ich sage ja zu solchem Nationalstolz über unsere Fußballer, einer Truppe zusammengewürfelt von
einem Trainer den alle mögen. Zurückblickend möchte ich sagen: Nach zwölf Jahren lieben wir euch
wieder und jeder ist stolz auf die deutsche Nationalmannschaft. Junge Leute, ein Kult-Trainer, der
Leverkusenener Spielstil, keine Stars, keine Tussis als Spielerfrauen und einen Kapitän, welcher
seinen kranken Bayern-Stil mal vergisst.
Trotz aller Begeisterung über unseren deutschen Erfolge bleibt eine Frage bei mir hängen - Wie sähe
eine deutsche Nationalmannschaft ohne die Leipziger Ereignisse am 9.Oktober 1989 aus. Ohne die
Gastfußballer aus der Schweiz, Polen oder Ghana, dazu kommt die halbe Mannschaft aus Thüringen
und Sachsen - Berlin und MeckPomm machen den Kader. Aber wahrscheinlich haben die Ossis nur
so gute Fußballe durch unsere üppigen Soli-Beiträge. Denn eigentlich sind sie doch mindestens
schlimmer als...Möllemanns Zielgruppe. Hauptsache im Jubeln sind wir ein Volk.
Vielleicht hilft ja mal wieder der Fußball, endlich mal klar im Kopf über die Nation zu werden und dass
es nach dreizehn Jahren überhaupt keine internen Schranken mehr geben sollte. Das Motto einiger
Morgenspiele bei dieser WM fand ich schon gut - Wacht auf, wenn ihr Deutsche seit. Ich stand da
immer auf. Um sieben.
Und dabei bin ich auf gar keinen Fall das Aushängeschild eines ordentlichen Staatsbürgers. Wer zieht
schon nachts um zwei seine schwarze Bettwäsche auf und hört dabei Lieder von Reinhard Mey,
trinkt Äppelwoi und raucht keinen Joint. Gegen den Strom und nie mit den Wölfen heulen. Ich fahre
Fahrrad, koche, backe selbst und halte mir keine (Putz)Frau aus einem wirtschaftlich mäßig
entwickelten Land dieser Welt. An meiner Wand hängt ein Fahne Israels und trotzdem bin ich ein
stolzer Deutscher, nicht nur wegen dem Fußball oder gerade deswegen.
Dieser Tage jährte sich ein wichtiger Tag, 10. Juni 1982, zwanzig Jahre her als hundertausende Leute
gegen die Atomrüstung in Bonn demonstrierten. BAP machte den Titel "10.Juni", noch heut gespielt
auf allen Konzerten (wie auch bei dem legendären Rockpalast am 22.August 1982 auf der Loreley),
ich damals eingesperrt bei der NVA und noch heute die Textzeile: "Spannt mich ja nicht für euch ein"
ein Lebensmotto... .
Zum Fußball muß ich an dieser Stelle natürlich Eintracht Frankfurt erwähnen. Man entzog der
Mannschaft, welche die höchsten finanziellen Auflagen in der Profigeschichte hatte, völlig unberechtigt
die Lizenz und mußte sie vierzehn Tage später zurückerteilen. Die Verantwortlichen der Eintracht
haben gekämpft wie die Löwen, hoffentlich bleibt das auch in Zukunft so. Die Chance mit einer
hungrigen Mannschaft ohne überbezahlte Spieler ist gegeben - man sollte sie nutzen, die Region
braucht Eintracht Frankfurt.
Eine Farce was aus Unterhaching und Mainz über dieses Urteil tönt. Die Einen wollen als sportlicher
Absteiger weiter oben mitspielen (wo gibt es so was...?) und die Fastnachtskicker, zu blöd zum
Aufsteigen, haben wahrscheinlich noch lange nicht ihr Trauma vom 05.05.02 verarbeitet. Nix mit
Nummer eins in Rhein-Main, die werden froh sein, wenn am Ende der neuen Saison der Klassenerhalt
geschafft ist. Mit ihren 5000 Kaspern im Bruchbudenstadion. Neid ist ein schlechter Ratgeber.
Abschließend noch paar Worte zu regionalen PISA-Studienauswertung. Grüß Gott, ihr besser
wissenden, da besser mit Knete vom Pappi geförderten Kiddis aus Bayern, hier schreibt ein Exil-
Sachse und die haben auf Garantie mehr in der Rübe als ihr katholisch versauten Randdeutschen.
Wir sind halt das hellste Volk in D, auch ohne viel Geld und das zusätzliche Jahr Schauspielunterricht
zum Abi. Die private finanzielle Unterstützung durch Angehörige eines bayrischen Abiturienten beträgt
übrigens das vierzigfache zum Kommilitonen in Sachsen !! Da wird Pseudo-Wissen schlimm erkauft.
Mit tut es heute schon weh, denk ich daran wie dieser blasse Kandidat aus BY die regionalen
Auswertungen für seinen Wahlkampf ausnutzen wird. Gefährlich bleibt da nur die nachgewiesene
Helligkeit der sächsischen Nachkommen. Ob da die absolute CDU-Präsenz in Dresden beiträgt.
Absolut falscher Denkansatz, es liegt dort einfach im Blut.
Sächsische Intelligenz hat sich einfach auch durch 56jährige Diktatur und anschließende Kohl-Zeit
nicht unterdrücken lassen. Woher kommen die meisten deutschen Nobelpreisträger, woher die Autos,
woher die Ingenieurtechnik, alles was Deutschland vor achtzig Jahren mal an diese Nummer eins in
Europa fließen ließ. Und nicht zuletzt fand die einzigste, erfolgreiche und weltverändernde Revolution
des 20. Jahrhunderts in Sachsen, in Leipzig seinen Anfang.
Die Boomstadt Leipzig ist heute ein Aushängeschild für Deutschland in der Welt. Der gemeine und
degenerierte westdeutsche satte Bessergeglaubtwisser denkt da an seine Steuer und Soligelder und
antwortet voller Überzeugung in einer Quizsendung, er wäre persönlich allein für diesen Fortschritt
zuständig und natürlich hat es die DDR schon zu Zeiten Christophs Kolumbus gegeben hat. Jetzt wird
alles besser und ohne mich baut sich das nie auf... .
Gern möchte ich an dieser Stelle Vincent unter uns begrüßen. Er schaute am 16.Juni 2002 zum ersten
mal auf Wiesbaden. Ich freue mich besonders für seine sächsische Mutti Pia, seine Schwester
Felicitas, den Laertes und Alex. Und ich werde mich nun paar Wochen auf Weltreise begeben, ein
Höhepunkt wird bestimmt der MotorradGP am Wochenende 21.Juli 2002 auf dem Sachsenring.
Natürlich wird chlab.net auf seiner Homepage in Text und Bild ausführlich berichten. Dann vielleicht
von einem Jenkner, Waldmann oder mindestens Valentino-Triumph.
Einen schönen Sommer noch - Euer